Viele sind nicht mehr übrig von den UKW-Urgesteinen, den Radiohelden, die ab den 60ern als Erste in Deutschland internationale Rock und Popmusik gespielt haben. Die es in den 70ern mit psychedelischen Gitarren und manchmal schier endlosen LP-Tracks der wilden Langhaarigen haben krachen lassen. Die schließlich dann in den 80ern einem Teenager vom Dorf die Platten für den Soundtrack seiner Jugend aufgelegt haben, damit er es auf Kassetten mit dem kleinen Rauschen extra aufnehmen konnte und diese hütete wie einen Schatz.
Die Begeisterung für die SR1 Stimmen der Europawelle habe ich gerade beschrieben, aber natürlich gab es für den musikbegeisterten Radiohörer auch SWF3. Für mein Dorf hatte der Südwestfunk irgendwann ein Einsehen mit den Empfangslöchern der Westpfalz und funkte mit dem Sender Kettrichhof endlich auch das nötige Portiönchen Stereo zu mir ins Schwarzbachtal. Elmar Hörigs schnodderige Witze, seine Weltraumcomics und die bisweilen harten Oneliner in der bis heute kultigen ‚Elmi-Radio-Show‘ bedienten das jugendliche Zwerchfell. Spannende Musikinformationen aus der Hitparade und von den Altmeistern lieferte abends im Popshop Frank Laufenberg.
Ein im liebevollen Sinn ‚Musikbeamter‘, locker und freundlich aber immer akribisch vorbereitet mit einer Jahreszahl zum Stück, einem spannenden Namen in der Liste der Begleitmusiker oder einem anderen wichtigen Querverweis im großen Musikkosmos. Franks Hitinfos waren stets amtlich! Wer bescheid wissen wollte, konnte hier lernen und bekam das Ganze sogar schriftlich. Laufenbergs Bücher zur Musikgeschichte, besonders der Rock-und Pop Almanach und seine Pop-Diaries waren Standardwerke für jeden Musikfreak.
Wäre ein Buch eine Audiokassette (Chromdioxid II natürlich!) könnte man herrlich vorspulen. Gedruckt geht es noch schneller.
Über 30 Jahre nachdem ich zu Laufenbergs Erkennungsmelodie, dem lässigen Gitarrenzupfer ‚Okie‘ von J. J. Cale, an der Stereoanlage, den Finger am Recordknopf, gelauscht habe, hat mich Laufenberg zu sich in die Eifel eingeladen.
Mit großem Respekt passiere ich das Ortsschild von Laufeld, ein kleines 500-Seelen-Dorf im Kreis Bernkastel-Wittlich. Da wo es mindestens drei Grad kühler ist als sonstwo im Südwesten. Hier wohnt er mittlerweile, der deutsche ‚Godfather of Music‘, das lebende Poplexikon, eine der großen Radiostimmen meiner Kassettenzeit. Gegen die Zahl der Künstler, die Frank Laufenberg in seiner Karriere vor dem Mikrofon hatte sind meine Begegungen geradezu mini. Bücherwand gegen Schnellhefter! Was ich mir an Star-Anekdoten angelesen hab, hat er Jahrzehnte vorher live und hautnah erlebt.
Doch der leichte Bammel beim Austeigen ist gleich verflogen. Seit der zweiten Email sind wir per Du, wie alte Kollegen. Frank winkt mir schon hinter der Fensterscheibe zu und zeigt den Weg. In seinem Heimstudio ist alles bereit. Da stehen Plattenspieler für die schwarzen Scheiben, CD-Player für die Silberlinge, aber natürlich auch Computer fürs Digitale. Hier spielt jetzt die Musik. Das ist unglaublich. In Laufenbergs Glanzzeit habe ich mit stümperhaften Aufnahmen für die BASF-Hülle nur geübt. All das zählt für ihn jetzt scheinbar nicht. Beide freuen wir uns auf die Aufzeichnung einer zweistündigen Sendung:
Es startet ein herrliches Musikpinkpong, denn Frank hat zu jedem meiner Musikvorschläge einen passenden Titel ausgesucht. Es ohrwurmt ‚When you wish upon a Star‘, die Disneyhymne aus Pinocchio. Franks Antwortmusik habe ich noch nie gehört und bin sofort verzaubert: Bing Crosby und ’swinging on a star‘ – zwei Musiken also über den Griff nach den Sternen und der eigenen Traumverwirklichung auf Erden. Ich biete ‚Fool‘ von Elvis (eine James Last Komposition) und Frank spielt darauf ‚Last thing on my mind‘ von Tom Paxton. Den habe ich ebenfalls noch nie gehört, finde den Titel toll. Davon gäbe es auch eine Elvisversion, merkt Laufenberg an. Beides Titel aus den 70ern, mit denen der King sein Bedauern über die Trennung von Ehefrau Priscilla verarbeitet habe. „Presley sang damals über sich selbst, war einmal der ‚Dummkopf‘ und habe dann beteuert, dass er mit seinem Tun als Letztes habe sie verletzen wollen.“ Eine rührende Trennungsgeschichte der Pophistorie, aber eben nicht mit dem totgedudelten ‚Always on my mind‘ .
Das ist es, was Laufenberg antreibt. Musikgeschichten, die Spaß machen will er erzählen, nicht wieder und wieder die größten Hits aller Zeiten auflegen. Angebote, regelmäßig bei einem quotenstarken Sender zu moderieren gäbe es genug, aber auf deren Formatbeschränkungen habe er keine Lust. Franks Radioleidenschaft gilt seinem Internetsender, dem Musikprogramm popstop.eu. Hier produzieren er und einige Freunde (wie BAP-Rentner Jürgen Zöller oder der ehemalige TV-Regisseur Pit Weyrich) das, was ihnen der Musikgeschmack ins DJ-Kistchen legt. Gute playlists, von keiner Hörerbefragung abgeschliffen – handgemacht und einmalig. Wer sich bei ‚popstop – Das Musikradio‘ reinklickt ist herzlich willkommen. Lieber wenige echte Fans haben, als Dudelprogramm sein. Nebenbeibeschallung war gestern, jetzt darf zugehört werden.
Die zwei Sendestunden vergehen wie im Flug, ich kann Frank Laufenberg zwischen den Platten nach seinem Leben befragen. Was für ein Musikleben! Da sind die 70er Jahre, als der Schallplattenvertreter der Firma EMI beim SWF auf die andere Seite der Studioglasscheibe wechselt, weil er die Künstler besser und engagierter vorstellen kann, als die Radiomacher die dort senden. Damals hatte er schon vorher für eine dicke Schlagzeile gesorgt. Als Gitte nämlich mit Rex Gildo Schluss macht (eine Liaison, die nur fürs Geschäft mit den Fans geknüpft war und auf die die Dänin eines Tages keine Lust mehr hatte – Dänen lügen nicht!), da drückt der Paparazzi auf den Auslöser, als der Schlagerstar neben ihrem gutaussehenden Begleiter von der Plattenfirma steht. Schwups ist Laufenberg ‚Gitte’s Neuer!‘
Später wird er noch einmal in dicken Lettern eine Schlagzeile liefern. Als Laufenberg in den 90ern beim privaten Sender Sat1 eine TV-Sendung moderiert und ebenso schwups bei den Öffentlich-Rechtlichen gekündigt wird: „Ein halbes Jahr später ging Gottschalk zu RTL, da war alles plötzlich egal“, zuckt er die Achseln, „ich war noch das Exempel, das man damals statuieren wollte!“
Laufenbergs einzig persönliche Auflistung in der Hitparade hören wir natürlich auch. Der erste deutsche RAP von den drei Radiokönigen ihrer Zeit. GLS (Gottschalk-Laufenberg-Sexauer) United mit ihrer Version eines Hits der Sugar Hill Gang. Natürlich hat der ‚Interpret‘ dieser Position 49 in der Top 75 die Maxi-Version im Archiv. Sieben Minuten lang. Ich freue mich über den immer noch wummernden Bass auch in der Vinyl-Pressung von damals.
Auch Persönliches gibt die Radiolegende preis, obwohl er ‚Yellow-Press-Themen‘ nicht mag. Zehn Jahre ist es her, dass ihn ein Hirnschlag getroffen hat. Nach einem feuchtfröhlichen Abend mit Freunden, nach gutem Essen und gutem Wein, sei ihm plötzlich die Zigarette aus dem Mund gefallen. Während viele in einer solchen Situation das berühmte Glas zu viel vermutet hätten, habe seine Frau damals sofort reagiert. Rechtzeitig mit Karacho in einer Klinik mit ’stroke unit‘ eingeliefert, habe das Schlimmste verhindert werden können. Die Ärzte hätten allerdings gleich unmißverständlich zu verstehen gegeben: „Mit dem Rauchen werden die jetzt aufhören, Herr Laufenberg, ansonsten können wir uns jetzt gleich verabschieden!“
Die Zigarette nach der Sendung ist bei uns beiden kein Thema. Ich bekomme noch ein paar exklusive Hit-Anekdoten: „Diese knubbeligen Basstöne bei Carly Simons ‚You’re so vain‘ – das ist Klaus Voormann. Der kam nach L.A. ins Studio. Da ist es wegen der Klimaanlagen ja immer eisekalt. Da wollte Voormann sich die Finger nur mal eben warm spielen, als es aus der Regie hieß, das sei ’super und gekauft!‘ – irre, was? Das sind Geschichten, die man erzählen muss.“
Ich will natürlich wissen, wann ihn, die Radio-Legende die Begeisterung für den kleinen Kasten, aus dem Musik kommt, gepackt hat? Auch schon als Teenager, wie es mir Chris Howland berichtet hat? Wie ich es selbst mit meiner Superbox-Premiere erlebt habe? „Klar“, meint Frank cool, „ich hatte so einen Experimentierkasten – BAU DIR EIN RADIO, mit Miniantenne und so, aber es hat funktioniert…und gleich gefunkt!“
Es leben die Radioverrückten!